Rezi: Ein Sturm wird kommen...
Nachdem meine Rezension auf der Histo-Couch erschienen ist, nun auch hier:
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Historienepos vom Feinsten
Erst vor kurzem lief „Attila“ mit dem schottischen Schauspieler Gerard Butler in der Hauptrolle im Fernsehen und brachte uns das fünfte Jahrhundert mit den Hunnenkriegen auch in unserer Region etwas näher. Und so ist es ein Leichtes, sich zu den historischen Persönlichkeiten in diesem wunderbaren Werk Gesichter vorzustellen.
Wir begegnen vielen historisch bekannten Persönlichkeiten wie zum Beispiel Valentinian III, dem Kaiser des weströmischen Reiches, seiner Schwester Justa Grata Honoria, dem Prokurator von Gallien Flavius Aëtius und dem Großkönig der Hunnen, Bleda.
Die Hunnen, wild, hart und grausam. Aber waren sie nicht mehr als das?
Erzählt wird die Geschichte einer jungen burgundischen Frau, die als Kind auf dem Schlachtfeld in Worms herumirrt und ihren Vater sucht. Doch stattdessen findet sie ein Hunne und nimmt sie mit als seine Kriegsbeute. Fortan kümmert sich der hunnische Truppführer Keve um Goldrun und gibt sie seiner Schwägerin in Obhut.
Während Attila zu Kriegen rüstet, um sich die umliegenden Länder zu unterwerfen und Tribut einzufordern, wächst Goldrun zu einer schönen Frau heran und entwickelt eine Begabung, mit Pferden umzugehen, die sie zur Stallmeisterin des königlichen Gestüts aufsteigen lässt. Ein Mann lässt ihr Herz höher schlagen: Ernak, Attilas jüngster Sohn. Doch ihre Liebe wird auf eine harte Probe gestellt und nicht nur einmal scheint es aussichtslos, ihre Beziehung jemals zu legitimieren.
Das Leben bei den Hunnen – wie war das wohl?
Tilman Röhrig schafft von Beginn an eine Situation für den Leser, in der er nicht nur als Zuschauer gebannt eine Szene verfolgt, sondern im Geschehen steckt, als wäre er mitten unter den Kämpfenden. Dies wird dadurch erreicht, dass ein fremdländisches, christliches Kind unter den Hunnen aufwächst. So wird ein Zugang für uns geschaffen, die wir aus der Zukunft in die historische Vergangenheit reisen dürfen.
Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet. Natürlich wird der Leser Sympathien und Antipathien zu den Personen entwickeln, aber da die einzelnen Personen sehr individuell und natürlich sind, gibt es kaum einen nur guten und nur schlechten Menschen. Intrigen werden gesponnen, politisch notwendige Entscheidungen getroffen und wie es im Leben so ist, geht es immer auf Kosten der kleinen Leute. Da werden ganze Städte dem Erdboden gleich gemacht, Menschen nicht nur geschändet, sondern auch abgeschlachtet, verbrannt … und das vielleicht nur, um ein Exempel zu statuieren.
In diesem Roman ist vieles vereint: gut recherchierte Historie, Abenteuer, Action, Intrigen, Verrat, aber auch Liebe, Fürsorge und bedingungsloser Gehorsam. Eine Welt erwacht zum Leben, die wir uns nur noch vorstellen können, aber dermaßen lebendig, dass man meint, sie erlebt zu haben.
Timan Röhrig, ein Autor, den man sich merken sollte!